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Was der Künstler im Vordergrund der Melencolia an Werkzeug plaziert, irritiert vor allem, wenn man das Ensemble Säge, Hobel und Schablonenlehre betrachtet. Denn die Lehre deutet auf das Herstellen von Rundkörpern hin - wie Speichen, Säulen, Sprossen oder Achsen. Der gezeigte Hobel taugt dafür nicht (abgesehen davon, daß er als ohnehin untauglich dargestellt ist). Für Rundkörper braucht man spezielle Hobel.
Melencolia, Dürer, Teilansicht: Werkzeug
Verwendet werden und wurden solche speziellen Hobel (man nennt sie Schweifhobel) von den Drechslern.
Die beiden Fotos rechts, die Simon A. Eugster geschossen und Wikipedia für die Veröffentlichung im Internet zur Verfügung gestellt hat, zeigen solche Schweifhobel.
Und zusammen mit ihnen macht die Handhabung einer Schablonenlehre auch Sinn. Der Drechsler überprüft damit, ob sein Werkstück bereits die gewünschte Rundung erreicht hat.
Schweifhobel (Foto: Simon A. Eugster)
Schweifhobel (Foto: Simon A. Eugster)
Apokalypse-Reiter, Dürer, Teilansicht
Die Hauptperson der Apokalyptischen Reiter zieht 
die Waage fast wie einen Schweif hinter sich her.
Und da der Waagezeiger kurios steht, könnte man
glauben, die Waage soll einen Wink geben.
Diskret plaziert der Künstler in Melencolia neben der Leiter, einem klassischen Drechslerprodukt, die Waage. Auch die kleine Säulenkanzel, in der die Sanduhr untergebracht ist, stammt aus Drechslerhand. Gibt der Künstler wieder einen Wink?
Könnte durchaus sein.
Denn hieß oder gar heißt es nicht, Maria - mme sei mit einem Zimmermann vereint?
Vielleicht wählte man diese Berufsbezeichung nur als Oberbegriff.
Das läßt sich überprüfen. Dürer zeigt die sogenannte heilige Familie auf der Flucht (1502-1505), und dort kann man mit der Astro-Uhr nachweisen oder nicht, ob Frau und Mann die Mariamme und ihr Drechsler sind.
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Melencolia, Dürer, Teilansicht, Waage Anbei: Während der sogenannten Franzosenkriege (in der Zeit der Kutschen und Karren) führten die Truppen meist eine mobile Drehbank mit, eine Schnitzbank, um einen Achsen- oder Speichenbruch schnell parieren zu können. Die Franzosen nannten die Schnitzbank "tournet assis" und das Drehen "tournasser".
Wer von dem Begriff "tournet assis" (phonetisch: Turn e Tassi) auf den Namen Thurn und Taxis kam, ist unbekannt. Die Verballhornung hat Charme. Wenngleich die Thurn und Taxis darauf Wert legen, daß ihr Name sich von Turm und Dachs herleite (Torre e Tassis oder ähnlich).

Eine andere linguistische Rarität, die gar nicht hierher gehört, aber zur noch nicht geschriebenen Geschichte der Verdrehungen gehört, die im Grenzbereich zwischen offizieller und alternativer Weltgeschichte den Entdecker immer wieder überraschen, sind die Zisterzienser. Katholische Kirchenhistoriker sagen, woher das Wort kommt: vom Schilf (lat. ciste), in dem die Zisterzienser-Klöster einst angelegt wurden.
Alternatives hierzu erfährt man im Zisterzienserkloster Fontenay, wenn man in der Klosterschmiede steht: dort wurde Erz verarbeitet, das man in freier Natur in Klumpenform unterschiedlichster Größe auflas. Dieses Rasen-Erz schaffte man zu den Schmieden in Körben heran - in der Cista, wie der Lateiner sagt. Sprachlich wurde daraus Zist-Erz.